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Datum:28.10.04
Titel:idw v. 28.10.2004: Unsere Sonne - nervoes wie selten
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Details1:Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 28.10.2004

Unsere Sonne - nervoes wie selten

Beeinflussen Schwankungen der Sonnenaktivitaet das Klima? - Neue
Forschungsergebnisse in der heutigen Ausgabe von "Nature"


Seit Galileo ist bekannt, dass die Sonne Phasen unterschiedlicher
Aktivitaet hat. Der sichtbare Ausdruck hierfuer sind die Sonnenflecken.
An ihrer Zahl und Groesse koennen wir recht gut ablesen, wie aktiv sie
derzeit gerade ist. Durch Teleskopbeobachtungen wissen die Forscher,
dass die Sonnenfleckenzahl einem Zyklus von 11 Jahren unterliegen und
fuer die letzten beiden 11-Jahreszyklen sind Schwankungen der
Sonneneinstrahlung auf die Erde (im Bereich von 0,1 Prozent) im exakten
Gleichlauf mit der Sonnenfleckenzahl nachgewiesen. "Doch was wir gerne
wissen wuerden: Wie aktiv war die Sonne in der Vergangenheit? In welchem
Umfang beeinflusste ihre vermutlich schwankende Aktivitaet das Klima auf
der Erde? Hier sind wir erst in der allerjuengsten Zeit zu neuen
Erkenntnissen gelangt", so Bernd Kromer. Er leitet seit 1982 das C-14
Labor der Forschungsstelle "Radiometrie" der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, das eingebettet ist in das Institut fuer Umweltphysik
der Universitaet Heidelberg.

Wie heute in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" berichtet wird,
haben Forscher des Max-Planck-Instituts fuer Sonnensystemforschung
(Lindau-Katlenburg), der Universitaet Oulu (Finnland), der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften sowie der EAWAG (Zuerich) jetzt die
Sonnenaktivitaet fuer die letzten 11.000 Jahre rekonstruiert. Sie
machten dabei die Entdeckung, dass wir uns gegenwaertig in einer Phase
ungewoehnlich hoher Sonnenaktivitaet befinden. Sie dauert seit rund 70
Jahren an und kam in vergleichbarer Staerke das letzte Mal vor zuletzt
8000 Jahren vor.

Die Rekonstruktion nutzt aus, dass durch die Hoehenstrahlung radioaktive
Isotope in der Atmosphaere erzeugt werden, darunter Kohlenstoff-14
(C-14). Die Produktionsrate von C-14 wird nun durch den Sonnenwind
gesteuert: Mit einer hoeheren Produktion bei 'ruhiger' Sonne und einer
Abnahme bei aktiver Sonne. Das mit Abstand genaueste Archiv der
C-14-Produktion in der Vergangenheit ist die Zellulose von Baumringen.
Durch die Einlagerung von C-14-Isotopen waehrend der Photosynthese
zeichnen Baeume fast wie Tonbandgeraete deren Gehalt in der Atmosphaere
auf. "Wir koennen nun genau in die Vergangenheit zurueckzaehlen, wie
viel C-14 wann genau in der Luft war", erklaert Kromer. "Wir halten
damit erstmals den Schluessel zur Rekonstruktion der Sonnenaktivitaet in
der Zeit vor dem Jahre 1613 in der Hand." Bei diesen Untersuchungen
kooperiert das Heidelberger C14-Labor der Akademie der Wissenschaften
seit 30 Jahren mit dem Jahrringlabor der Universitaet Hohenheim. Als
Ergebnis dieser Zusammenarbeit koennen die Forscher nun eine weltweit
einmalige Baumringchronologie aus sueddeutschen Eichen und Kiefern bis
12.400 Jahre vor heute praesentieren.

C14-Messungen an diesen Chronologien, zusammen mit frueheren Arbeiten
von Kollegen in Irland und den USA, haben eine hochgenaue Zeitserie der
C-14-Produktion geliefert, die den Forschern in Lindau-Katlenburg und
Oulu als Basis der Sonnenflecken-Rekonstruktion gedient hat. Das
Ergebnis ist ueberraschend : Nur in 8 Prozent der letzten 11.000 Jahre
war die Sonne so aktiv wie heute. Die anderen Zeiten aussergewoehnlich
hoher Aktivitaet liegen am Anfang des Intervalls, also vor mehr als 8000
Jahren.

Der Befund hat nun erhebliche Konsequenzen fuer die Frage, ob
Schwankungen der Sonnenaktivitaet auch fuer Klimaschwankungen auf der
Erde verantwortlich sein koennen. Diese Vermutung liegt mittlerweile auf
der Hand: Drei Intervalle 'ruhiger' Sonne zwischen dem 13. und dem 17.
Jahrhundert n.Chr. fallen naemlich mit den historisch belegten
Abkuehlungsphasen auf der Nordhalbkugel zusammen. Diese sogenannte
"Kleine Eiszeiten" zeigte zum Teil gravierende Auswirkungen auf die
Landwirtschaft und das soziale Gefuege in Europa. Klima-Modelle, die mit
Aenderungen der Sonneneinstrahlung auf der Basis der C-14-Produktion
angetrieben werden, zeigen fuer die vorindustrielle Zeit im letzten
Jahrtausend eine ueberraschend gute Uebereinstimmung der
Modell-Resultate mit Klimazeitreihen.

Noch besteht unter den Wissenschaftlern kein Konsens darueber, welche
Verstaerkungsmechanismen die vermutlich kleinen Aenderungen des
Energieflusses von der Sonne das Klima auf der Erde merkbar
beeinflussen. "Doch eines scheint sicher", so Kromer. "Die Sonne spielt
eine ganz gewichtige Rolle bei den beobachteten natuerlichen
Klimaschwankungen!" Dennoch kann dieses Erklaerungsmodell nicht als
bequemes Argument dafuer herhalten, die Gefahr einer globalen Erwaermung
durch anthropogen erzeugte Treibhausgase herunter zu spielen.
"Modellrechnungen zeigen naemlich gleichzeitig, dass die erhebliche
Erwaermung seit circa 1990 nicht der Sonne zuzuschreiben ist", gibt
Kromer zu bedenken. "Diese Veraenderung ist vielmehr konsistent mit dem
Anstieg der Treibhausgase in den letzten anderthalb Dekaden erklaerbar."



Rueckfragen bitte an

Dr. Johannes Schnurr
Referent fuer Presse- und Oeffentlichkeitsarbeit
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Telefon: 06221 54 34 00
Fax: 06221/54 33 55
E-Mail: johannes.schnurr@urz.uni-heidelberg.de
Internet: www.haw.baden-wuerttemberg.de

sowie

Dr. Bernd Kromer
Forschungsstelle Radiometrie
Telefon 06221/54 63 57
Fax. 06221/54 64 05
www.iup.uni-heidelberg.de



Zu dieser Mitteilung existieren Bilder im WWW. Siehe
* http://idw-online.de/public/zeige_bild?imgid=11891
Gegenwaertig befinden wir uns in einer Phase ungewoehnlich hoher
Sonnenaktivitaet. [Bildquelle: SOHO (ESA & NASA). Only for
non-commercial purposes.]
* http://idw-online.de/public/zeige_bild?imgid=11892
Der Sonnenwind steuert in der Atmosphaere die Produktion von
radioaktiven Isotopen, darunter C-14. Die Sonnenaktivitaet vergangener
Zeiten kann damit praezise aus dem in Baumringen gespeicherten C-14
abgelesen werden.



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Art: ueberregional, Publikationen, Forschungsergebnisse
Sachgebiete: Biologie und Biotechnologie, Geowissenschaften, Geschichte,
Mathematik und Physik

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